Interkulturelle Kommunikation: Wie Sie Missverständnissen und anderen Konfliktherden vorbeugen können

Interkulturelle Kommunikation: Wie Sie Missverständnissen und anderen Konfliktherden vorbeugen können

29.7.2021

Kommunikationsprobleme aufgrund fehlender Interkultureller Kompetenz

Missverständnisse und Konflikte sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Schnell vergreifen wir uns im Ton, Winken versehentlich ein Taxi herbei oder treten unserem Kollegen mit einer vermeintlich neutralen Aussage auf den Schlips. Hat unser Interaktionspartner nun noch einen anderen kulturellen Hintergrund verschärfen sich Kommunikationsprobleme mitunter. Warum das so ist und wie man dem entgegenwirken kann, erfahren Sie in diesem Artikel.  

Bereits im ersten Artikel dieser Serie zu Interkulturalität haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass neben einer ganzen Reihe von Vorteilen, die die Zusammenarbeit in einem kulturell gemischten Team bringen kann, auch Konflikte entstehen können. An diesem Punkt machen wir einen Deep Dive, gehen den Ursachen für Konflikten noch tiefer auf den Grund und geben Tipps wie solche „Clash Situationen“ reduziert werden können.

Wieso kommt es so häufig zu Missverständnissen in der interkulturellen Kommunikation?

Wir wissen bereits Interkulturalität oder interkulturelle Kommunikation umfasst weit mehr als das Beherrschen einer anderen Landessprache. Es bedeutet kulturelle Gepflogenheiten sowie Feinheiten im Kommunikationsstil erkennen zu können und das eigene Verhalten zu reflektieren sowie die Perspektive des anderen einnehmen zu können. Interkulturelle Kommunikation haben wir also kennengelernt als „Austausch- und Interaktionsprozess zwischen Personen und Gruppen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, die verbal oder non verbal Zeichen (z.B. gesprochene oder geschriebene Sprache, Gestik, Mimik) Ideen, und Bedeutungen austauschen.“ (Barmeyer, 2012).

Das Austauschmodell von Wagner (2019) verdeutlich noch einmal, wo die Ursachen für Missverständnisse liegen. Es zeigt den Prozess der interkulturellen Kommunikation und wie kulturelle Unterschiede diesen beeinflussen.  

Jeder Mensch ist es gewohnt beim Senden und Empfangen von Nachrichten auf das eigene Referenzsystem und eigenen Symbole zurückzugreifen. Diese sind aber je nach Kultur sehr unterschiedlich. Ein einfaches Beispiel ist das folgende Zeichen.

Peace Zeichen I Made with canva.com

Während Sie in der Schweiz oder in Deutschland mit diesem Zeichen „Frieden“ verbinden oder wahlweise die Bestellung zweier Bier einleiten, würden Sie in China dafür gleich 8 Bier serviert bekommen.

Das bedeutet, dass zwei Personen im selben Kommunikationsprozess sehr wahrscheinlich unterschiedliche Arten der Verarbeitung und Interpretation von Nachrichten verwenden. Klar kommt es dort leicht zu Missverständnissen. Werden diese nicht rechtzeitig geklärt, können Sie zu grossen Konflikten anwachsen.

Vergleichen wir hierzu die Kommunikation innerhalb einer homogenen Kultur. Dort teilen die Gruppenmitglieder eine gemeinsame Sprache, gemeinsames Wissen und ähnliche Denk- und Interpretationsweisen. Natürlich können auch hier Konflikte und Probleme auftreten. Diese sind dann aber weniger auf Unterschiede im Denken und Handeln begründet oder können zumindest schneller aufgelöst werden, weil weniger Übersetzungsleistung gefragt ist (vgl. Genkova, 2019).

Offensichtlich machen es Unterschiede von Denk- und Interpretationsweisen noch schwieriger, eine gegenseitige Verständigung im Interaktionsprozess zu erreichen. Anders ausgedrückt:

„Interkulturelle Missverständnisse resultieren (…) aus Fehlinterpretationen des sprachlichen oder non-verbalen Verhaltens und Handelns des Kommunikationspartners, die auf Unkenntnis oder fehlender Erfahrung beruhen.“ (Lüsebrink, 2012)

Drei erfolgreiche Verhaltensweisen gegen Missverständnisse

Um interkulturelle Situationen meistern zu können ist es natürlich der beste Weg, dass Sie Ihre interkulturelle Kompetenz trainieren. Aber auch da sind Sie nicht gefeit vor auftretenden Konflikten. Die Gefahr ist vor allem, dass interkulturelle Missverständnisse unbemerkt bleiben oder nicht rechtzeitig behandelt werden. Dann können sie sich zu unlösbaren Konflikten entwickeln. Daher folgen nun drei Tipps (Bolton 2007), die Ihnen helfen können Missverständnisse zu reduzieren.

1. Rollendistanz

„Rollendistanz“ kann als die Fähigkeit verstanden, „sich bei seinem eigenen Handeln beobachten zu können“ (Bolten, 2007). Die Beobachtung des eigenen Verhaltens kann helfen, die Differenz zwischen der eigenen Kultur und der fremden Kultur besser zu reflektieren. Man kann mit Hilfe seiner Reflexion seine eigene Verhaltensweise entsprechend anpassen und damit Missverständnissen vorbeugen.

2. Empathie und Einfühulungsvermögen

Nach der Reflexion und dem Verstehen des eigenen Verhaltens geht es bei diesem Punkt darum, das Verhalten oder den Verhaltenskontext anderer zu verstehen. Empathie bedeutet in diesem Zusammenhang den Versuch, das Verhalten der anderen Person und die Hintergründe seines Verhaltens zu verstehen.

3. Metakommunikation

Auch wenn sich mit Hilfe der Rollendistanz und der Fähigkeit zu Empathie Missverständnisse minimieren lassen, können Fehler oder irritierendes Verhalten manchmal nicht vermieden werden. Wenn Sie merken, dass die Kommunikation ein wenig aus dem Ruder gelaufen ist, entweder unmittelbar nachdem ein Missverständnis aufgetreten ist oder viel später, kann die Kommunikation auf der Metaebene Abhilfe schaffen und den Konflikt oder das Missverständnis im Nachhinein auflösen. In der Anfangsphase der interkulturellen Kommunikation oder wenn es schwierig ist, den Kommunikationsstil und die Denkweise der anderen Person zu beurteilen ist die beste Handlungsstrategie bei Unklarheit einfach nachzufragen (Broszinsky-Schwabe 2016). Genau das wäre ein Wechsel auf die Metaebnenenkommunikation. Fragen Sie Ihren Gesprächspartner "Wie meinen Sie das?" "Oder wie hast du die Situation empfunden?" "Was hat dich an meiner Aussage gestört?" (vgl. Bolten 2007) Die Metakommunikation kann auch die Form einer Entschuldigung annehmen, um einem unangenehmen oder peinlichen Kommunikationssituation zu entgehen. Die Anwendung der Kommunikation auf Metaebene kann Ihnen in vielen Konflikten helfen die Situation zu entschärfen und wieder auf eine sachliche Dimension zu kommen.

Tatsächlich sollten sowohl Metakommunikation als auch Rollendistanz und Empathie nicht nur als Kriseninstrumente, „sondern als permanent einzusetzende Mittel interkulturellen Handelns“ verstanden werden. (Bolten, 2007).

Wie beuge ich als Führungskraft Missverständnissen in einem multikulturellen Team vor?

Egal ob Sie Führungskraft sind, als Projektleiterin tätig sind oder anderweitig für die Koordination eines multikulturellen Teams zuständig sind. Solch eine Aufgabe ist herausfordernd. Die Kommunikation der Mitglieder aus mehreren verschiedenen Kulturen muss gemanaged werden. Nun ist es nicht ganz ohne, sich auf alle Kommunikationsbedürfnisse gleichermassen einzustellen und diese zu erfüllen. An dieser Stelle wird ein kulturübergreifender Kommunikationsstil notwendig, der auf möglichst viele Kulturen anwendbar ist. Dieser sollte nach Koch (2018) drei wesentliche Merkmale aufweisen:

  • Er sollte in möglichst vielen Kulturen einsetzbar sein
  • Seine Elemente sollten bekannt sein; müssen gegebenenfalls vorher besprochen werden
  • Er sollte auf einfache Weise mit dem "eigenen" Kommunikationsstil verknüpft werden können

Fazit

Ein kulturübergreifender Kommunikationsstil bedeutet nicht, dass er auf alle Situationen zutrifft oder immer anwendbar ist, weder bedeutet er, dass die Vorbereitung auf interkulturelle Situationen vernachlässigt werden sollte oder interkulturelle Kompetenzen nicht mehr benötigt werden. Bei bestimmten Situationen sollten die Persönlichkeiten der aller Beteiligten, der Kommunikationsstil, der Zweck der Kommunikation, die Kommunikationssituation usw. berücksichtigt werden. Interkulturelle Kompetenz ist in der interkulturellen Kommunikation nach wie vor notwendig (Koch 2018) und reduziert sich nicht nur auf die Art und Weise zu sprechen.

Autorin: Xiaolu Liu

Quellen

Barmeyer, C. (2012). Taschenlexikon Interkulturalität (Vol. 3739). UTB.

Bolten, J., & Bolten, J. (2007). Interkulturelle kompetenz. Erfurt: LZT.

Broszinsky-Schwabe, E. (2016). Interkulturelle Kommunikation: Missverständnisse und Verständigung. Springer-Verlag.

Genkova, P. (2019). Interkulturelle Wirtschaftspsychologie. Berlin/Heidelberg: Springer.

Koch, E. (2018). Plädoyer für einen "Kommunikationsstil Süd" - Kommunikationskompetenz in multikulturellen Situationen. URL: https://www.eckart-koch.de/media/files/sonstige_anhaenge/Eckart_Koch_KSS-BKS_15042018.pdf

Lüsebrink, H. J. (2016). Interkulturelle Kommunikation: Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kulturtransfer/Hans-Jürgen Lüsebrink. Weimar: Metzler. Verlag.–4., akt. u. erw. Aufl.

Wagner, A. S. (2019). Konflikte in internationalen Unternehmen: Vielfalt, Widersprüche und Paradoxien interkultureller Kommunikation. Springer-Verlag.