Interkulturelle Kompetenz – Ein „must-have“ in der Arbeitswelt 4.0

Interkulturelle Kompetenz – Ein „must-have“ in der Arbeitswelt 4.0

24.6.2021

Gemeinsam haben wir uns im letzten Artikel erarbeitet was es mit den Begriffen Kultur und Interkulturalität auf sich hat, warum das Thema aktueller ist denn je und welche Aspekte und Herausforderungen damit verbunden sind. Geendet sind wir mit einem kleinen "Cliffhanger" beziehungsweise mit dem Versprechen nochmal richtig ins Detail zu gehen, was die interkulturelle Kompetenz anbelangt. Dieses Versprechen lösen wir nun ein und klären folgende Fragen:

  • Warum braucht jede Organisation interkulturell kompetente Mitarbeitende?
  • Wie lässt sich interkulturelle Kompetenz definieren? 
  • Welches sind die drei Bausteine interkultureller Kompetenz? 

Wann braucht es interkulturell kompetente Mitarbeitende?

Die Antwort ist denkbar einfach: im besten Falle immer! Die steigenden Markt- und Kundenanforderungen sowie die stetige Entwicklung der Globalisierung und Digitalisierung verändern auch die Zusammenarbeit in Unternehmen. Sie begünstigen zum einen die Entwicklung neuer Fachbereiche und damit auch Fachkulturen und das Entstehen von internationalen Teams. Die Folge: länderübergreifende als auch fächerübergreifende Kommunikation steht bei vielen Organisationen an der Tagesordnung. Heute kocht nicht mehr jeder sein Süppchen für sich, vielmehr braucht es das Know-how von unterschiedlichen Expert*innen, um das richtige Mass zu finden und die Suppe nicht zu versalzen! Jetzt sollten Sie sich folgende Gedanken machen: wenn interkulturelle Kommunikation ein „must-have“ der Arbeitswelt 4.0 ist, dann muss diese Fähigkeit, wie alle anderen Fähigkeiten auch, aufgebaut und trainiert werden. Nur so können Interaktionen zwischen Mitgliedern verschiedener Kulturen möglichst reibungsfrei, produktiv und konstruktiv gestaltet werden. Tasten wir uns also im nächsten Abschnitt langsam an die interkulturelle Kompetenz heran.

Interkulturelles Team I Quelle: canva.com

Was genau bedeutet interkulturelle Kompetenz denn nun? 

Interkulturelle Kompetenz bedeutet wörtlich die Fähigkeit, interkulturell zu kommunizieren oder Interkulturalität zu ermöglichen. Barmeyer (2012: 86) bietet folgende Definition zur interkulturellen Kompetenz an:

"Fähigkeit einer Person, Werte, Denkweisen, Kommunikationsregeln und Verhaltensmuster einer anderen Kultur zu verstehen, um in interkulturellen Interaktionssituationen eigene Standpunktetransparent zu kommunizieren und somit kultursensibel, konstruktiv und wirkungsvoll zu handeln.“

Das klingt alles noch ein bisschen abstrakt? Machen wir es konkret und schauen uns drei Fähigkeiten an, die eine interkulturell hoch kompetente Person reflektiert und trainiert hat.

 

Drei Bausteine interkultureller Kompetenz

1.    Alles eine Frage des Mindsets!

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie wechseln umzugsbedingt ihren Tanzverein. Freudig fiebern Sie dem ersten Tanztraining entgegen. Doch dort angekommen überkommt Sie erst einmal Ernüchterung. Die Musikauswahl finden Sie schrecklich und ausserdem empfinden Sie den Trainer als unqualifiziert. Sie kommen bei der Schrittabfolge für die Choreografie nicht mit, das geht alles viel zu schnell und wird nicht richtig erklärt. Der anfängliche Enthusiasmus weicht - an seine Stelle treten Ablehnung, Enttäuschung, Unmut und eine kleine Portion Wut. Sie sind verärgert und verlieren jegliche Lust dem Trainer Feedback zu geben oder sich mit den anderen Vereinsmitgliedern zu vernetzen. Bei Ihrem alten Verein lief das alles ganz anders, dort war alles viel besser. Wenn Ihnen solche Verhaltensweisen bekannt vorkommen, dann sollten Sie Ihre sogenannte affektive Einstellung reflektieren und trainieren. Denn ein wichtiger Baustein, um interkulturelle Kompetenz zu entwickeln ist die positive Einstellung gegenüber anderen Kulturen. Sprich, das Ziel von affektiver interkultureller Kompetenz ist eine positive Wahrnehmung von anderen oder fremden Kulturen und dem Abbau von Stress und Ängsten diesen gegenüber (Barmeyer 2012: 88). Typische Merkmale, die diesen Aspekt interkultureller Kompetenz widerspiegeln, sind unter anderem: Empathie, Offenheit, Flexibilität, Respekt, Rollendistanz und wertfreie Haltung.

2.    Wissen, was die anderen wissen und nicht wissen

Ein weiterer Baustein der interkulturellen Kompetenz betrifft den kognitiven Bereich. Hier geht es also um Ihr Wissen. Besser gesagt um das kulturspezifische Wissen. Dieses beinhaltet sowohl Landeskunde, wenn es um National- oder Regionalkulturen geht, als auch Kenntnisse über Wertesysteme, Kommunikationsstile und Verhaltensweisen anderer Kulturen. Nehmen wir ein Beispiel: Stellen Sie sich vor Sie arbeiten neu in einem internationalen Team an einem gemeinsamen Projekt und erhalten eine Mail von Ihrem US-amerikanischen Kollegen. Dieser schreibt Ihnen:

Reto,
I need the presentation from yesterday's meeting asap.
J.

Mit Sicherheit löst diese Art der Kommunikation keine Freudensprünge bei Ihnen aus. Vermutlich sind Sie eher irritiert, empfinden die Mail sogar als grob und unfreundlich. Im schlechtesten Fall sehen Sie die Mail als respektlos an oder haben Angst etwas falsch gemacht zu haben. Denn eine solche Art der Kommunikation kennen Sie bisher nur aus negativen oder konfliktbehafteten Situationen.

Was sollten Sie wissen? Im angloamerikanischen Raum ist es üblich kurze Mails zu schreiben und direkt zur Sache zu kommen. Denn dort überwiegt (überspitzt gesagt!) der Effizienzgedanke dem Prinzip der Höflichkeit. Zudem kommt es sehr häufig vor, dass sich bereits beim ersten Mailkontakt mit dem Vornamen angesprochen wird. All das hat aber nichts mit fehlendem Respekt oder Groll auf Sie zu tun, sondern ist Teil der angloamerikanischen Arbeits- und Kommunikationskultur. Allein über dieses Wissen zu verfügen, ermöglicht es Ihnen nun einen schwelenden Konflikt vorzeitig abzuwenden und in den offenen Austausch mit Ihrem Gegenüber und den anderen Teammitgliedern zu treten. So können Sie beispielsweise gemeinsame Kommunikationsregeln für die künftige Zusammenarbeit festlegen.

Das Beispiel konnte zeigen: Das gleiche Verhalten kann in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen haben. Hat man nun aber Kenntnis über andere Kulturen ermöglicht dies zutreffende Interpretationen von Situationen und man kann befremdlich wirkendes oder anderes Verhalten viel besser einordnen (Barmeyer2012: 87). Typische Merkmale, die diesen wissensbasierten Aspekt interkultureller Kompetenz widerspiegeln, sind: Kenntnisse der politischen Systeme, sowie der sozialen, wirtschaftlichen Lage eines Landes. Wissen um Kulturdimensionen und Kulturstandards; Fremd- und Fachsprachenkenntnisse sowie Selbstkenntnis und damit die Fähigkeit zur Selbstreflektion und Kritikfähigkeit.

Bausteine: Quelle canva.com

3.    It’s all about the „Anwendung“ – Da hilft nur üben, üben, üben.

Kommen wir zum letzten Baustein der interkulturellen Kompetenz. Hier geht es um Ihr Verhalten.

Achtung Disclaimer: Grundsätzlich zeigen sich Kompetenzen im Verhalten von Menschen. Ob Ihre Kollegin beispielsweise Problemlösungskompetenz, Teamfähigkeit oder interkulturelle Kompetenz besitzt, kann nicht anhand eines Wissenstests ermittelt werden, sondern wird erst im Verhalten oder Interaktion mit anderen Personen sichtbar.

"Gemeint ist, die Fähigkeit, interkulturelle „Kenntnisse umzusetzen und sich in einer anders kulturellen Situation anzupassen.“ (Barmeyer 2012: 87). Sprich, die Bausteine eins und zwei, Ihr Mindset und das kulturspezifische Wissen nützen Ihnen also nichts, wenn Sie diese nicht on-the-job oder im privaten Rahmen und in konkreten Situationen zur Anwendung bringen. Merken Sie sich am besten: nur durch wiederholte Übung können Sie Ihr Kompetenzlevel steigern! Hierbei helfen Ihnen vor allem eine gute Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität, Belastbarkeit, Feedbackfähigkeit, Selbstdisziplin und Selbstmotivation.

Fassen wir kurz zusammen: Sehr gute Fremdsprachenkenntnisse oder erweitertes Wissen über andere Fachbereiche oder deren Entscheidungslogiken, können die interkulturelle Kompetenz nicht ersetzen! (Barmeyer 2012) Aber sie sind jeweils wichtige Bausteine und können daher als solides Fundament für die Entwicklung einer ausgeprägten interkulturellen Kompetenz dienen.

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Quellen

Barmeyer, C. (2012). Taschenlexikon Interkulturalität (Vol. 3739). UTB.

Lusebrink, H. J. (2005). Interkulturelle Kommunikation: Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kulturtransfer. Verlag JB Metzler.

Oerter, R. (2002). Entwicklungspsychologie. L. Montada (Ed.). Weinheim: Beltz PVU.